VCÖ: Helmpflicht für E-Bikes bringt mehr Nachteile als Vorteile

Die Mobilitätsorganisation VCÖ spricht sich klar gegen eine gesetzliche Helmpflicht für Elektrofahrräder und E-Scooter aus. Aus ihrer Sicht hätte eine solche Regelung juristische, versicherungstechnische und praktische Nachteile, ohne die Verkehrssicherheit maßgeblich zu erhöhen. Stattdessen fordert die Organisation den Ausbau der Radinfrastruktur sowie Kampagnen, die das freiwillige Helmtragen fördern.

Juristische Folgen für Unfallopfer

Nach Einschätzung des VCÖ würde eine Helmpflicht dazu führen, dass Radfahrende bei Unfällen automatisch eine Teilschuld zugesprochen bekommen, wenn sie ohne Helm unterwegs sind – selbst dann, wenn sie von einem Raser oder alkoholisierten Autofahrer erfasst werden. Damit drohen finanzielle Belastungen, da Versicherungen Schmerzensgeldansprüche teilweise abwälzen könnten.

Sicherheit hängt von Infrastruktur und Tempo ab

VCÖ-Experte Michael Schwendinger betont, dass vor allem eine bessere Infrastruktur für Radfahrende mehr Sicherheit bringt. Daten zeigen: Keiner der tödlichen E-Bike-Unfälle des Vorjahres ereignete sich auf einem Radweg, sondern ausschließlich im Kfz-Verkehr. Zudem spiele die erlaubte Geschwindigkeit eine wesentliche Rolle. Viele der schweren Unfälle passierten auf Straßen mit 50 oder 100 km/h Tempolimit. Niedrigere Geschwindigkeiten könnten das Unfallrisiko deutlich reduzieren.

Zahlen zum E-Bike-Boom

Elektrofahrräder sind in Österreich mittlerweile das meistverkaufte Elektrofahrzeug. 2024 wurden landesweit 226.000 Stück verkauft, was mehr als der Hälfte aller Fahrradverkäufe entspricht. Insgesamt kamen in den letzten fünf Jahren über 1,1 Millionen E-Bikes auf die Straßen. Sie erleichtern Pendlerinnen und Pendlern längere Arbeitswege und ermöglichen auch älteren Menschen, mobil zu bleiben.

Effekt des Helmtragens

Zwar rät der VCÖ dringend zum freiwilligen Helmtragen, doch Statistiken zeigen: Jeder zweite E-Bike-Fahrende, der tödlich verunglückte, trug einen Helm. Damit hängt die Schwere der Verletzungen oft stärker vom Unfallgegner – etwa der Geschwindigkeit oder Fahrzeuggröße – ab als vom Helm selbst. Ein falsch getragener Helm könne zudem ein trügerisches Sicherheitsgefühl vermitteln.

Internationale Erfahrungen

Erfahrungen aus anderen Ländern stützen die Kritik an einer Pflicht. In Australien ging die Zahl der Radfahrenden nach Einführung der Helmpflicht je nach Region um bis zu 40 Prozent zurück. Israel schaffte 2011 die 2007 eingeführte Regelung wieder ab, weil sie die Nutzung stark einschränkte. Laut VCÖ würde eine Helmpflicht auch in Österreich das Ziel konterkarieren, den Radverkehrsanteil zu verdoppeln. Mehr Radfahrende erhöhen zudem die Sichtbarkeit im Straßenverkehr und senken damit das Unfallrisiko pro Person.

Gefahr für Sharing-Modelle

Besonders problematisch sieht der VCÖ die Folgen für Sharing-Angebote. E-Bike-Sharing in Wien oder die geplante Einführung in Salzburg wären mit einer Helmpflicht kaum umsetzbar, da niemand bereit sei, gebrauchte Helme mitzubenutzen. Auch E-Scooter-Sharing stünde vor dem Aus. Als wirksamere Maßnahme schlägt die Organisation eine Drosselung der Geschwindigkeit auf 20 km/h vor.

Der VCÖ fordert, dass die Politik auf Maßnahmen setzt, die nachweislich Sicherheit erhöhen: bessere Radwege, niedrigere Tempolimits und Aufklärungskampagnen. Eine Helmpflicht hingegen könne Unfallzahlen kaum verringern, würde aber die Attraktivität des Radfahrens und innovativer Mobilitätsangebote erheblich schmälern.


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